Ablegen mit Anlauf – der Hafen sagt Tschüss und die Muskeln hallo

Ablegen mit Anlauf – der Hafen sagt Tschüss und die Muskeln hallo

Freitag, Mai 30, 2025

Zwischen Rost und Eisenstemmen – das grosse Loslassen beginnt am Steg

Nach einer intensiven ersten Nacht vor Anker und einem herausfordernden Hafenmanöver starteten wir die achte Woche mit zwei ruhigeren Tagen. Das Wetter spielte mit – ideal, um etwas runterzukommen und neue Energie zu tanken. Doch es war auch klar: Unsere Zeit im Hafen neigt sich dem Ende zu. Die letzten Projekte an Bord warteten.

Ordnung im Cockpit, Kunstrasen und zerstörte Fender

Jan hat die Kabel der seitlich montierten Solarpanels ordentlich verlegt. Dazu mussten zwei Löcher im Heck gebohrt werden – in der Seemannssprache auch "Spiegel" genannt. Dieser befindet sich ganz hinten am Boot, senkrecht zum Wasser.

Die Kabel verlaufen nun vom Spiegel, durch die hintere Backskiste (eine Art Stauraum unter den Sitzbänken im Cockpit) und ins Bootsinnere unter die Hundekoje (das ist ein kleiner, meist etwas enger Schlafplatz der in unseren Fall als Stauraum unter dem Cockpit dient). Das bedeutete: alles ausräumen, Kabel durchziehen, wieder einräumen. Klingt wie eine schnelle Sache, aber so ein "kleines" Projekt dauert oft den ganzen Tag. Jetzt ist unser Cockpit endlich kabelfrei – bereit für wellige Tage!

Ende April haben wir uns einen neuen Kugelfender gekauft, um unsere Badeplattform vom Steg zu schützen, leider wurde dieser an einem stürmischen Tag zerstört. Wir knallten mit voller Wucht dagegen und so platze er oben auf. Lieber ein geplatzter Fender als ein beschädigtes Heck – Scialla ist zum Glück unversehrt.

In einem nahegelegenen Baumarkt holten wir uns noch Gummistiefel für stürmische Tage (die günstigere Alternative zu Segelstiefel) und eine Kunstrasenmatte für Juna. Diese haben wir in vier Teile geschnitten und werden jeweils eins davon vorne am Bug platzieren, sodass Juna bei längeren Fahrten ihr Geschäft direkt an Bord erledigen könnte. Bisher zeigt sie allerdings noch wenig Interesse daran. Wir bleiben dran.

Janine nutze die Zeit noch zum Backen. Dabei ging uns, als der Teig ready war, das erste Mal das Gas aus. Wir konnten schnell eine neue Campingazflasche organisieren. Jedoch wollen wir in den kommenden Monaten umsteigen auf Propangas (Campingaz ist Butangas) da es nicht in allen Ländern Campingaz gibt und es dazu auch viel teurer ist.

Sicherheits-Upgrade mit Muskelkater-Garantie

Beim ersten Ankermanöver stellten wir fest: Ab etwa 45 Metern zeigt unsere Ankerkette erste Alterserscheinungen. Einige Glieder sind angerostet, an manchen Stellen blättert die Oberfläche bereits ab. Das ist kritisch, denn beim Ankern sollte man idealerweise 3- bis 5-mal die Wassertiefe an Kette ausbringen. Eine geschwächte Stelle könnte im schlimmsten Fall bedeuten: Kette reisst, Boot treibt ab. Besonders heikel, wenn wir bald über Wochen draussen ankern wollen.

Also stand fest: Die Kette muss raus – komplett. Wir schleppten die rund 90 Kilogramm schwere und 60 Meter lange Kette aus dem Boot, legten sie am Steg aus und prüften Glied für Glied. Fazit: lieber vorsorgen.

Was dann folgte, war Schwerstarbeit.

Zuerst suchten wir mehrere Läden ab – denn den einen grossen Bootszubehörladen gibt es hier schlicht nicht. Jeder hat seine Spezialnische. Schliesslich fanden wir in einem kleinen Shop eine frische Lieferung mit einer 75 Meter langen Kette – etwa 110 Kilogramm schwer. Perfekt, dachten wir. So sind für alle Fälle bereit und können auch in etwas tieferen Gewässern problemlos ankern. Wir hätten uns auch mit einer 60 Meter langen Kette zufrieden geben, jedoch hatte der Laden nur 50m oder 75m.

Doch wie bringt man so ein schweres Stahlmonster überhaupt zum Boot?

Mit einem Leihwägelchen vom Hafen machten wir uns an den Kraftakt: die alte Kette Meter für Meter aufladen, ab zum Laden, Glieder vergleichen. Die müssen schliesslich millimetergenau zur Ankerwinsch passen. Sah gut aus – also zurück zum Steg, Kette abladen, wieder zum Laden, neue Kette holen, bezahlen – 700€ später war das Thema erledigt. Fast.

Weil wir auf Nummer sicher gehen wollten, mussten wir die neue Kette teilweise ins Boot tragen, ein Stück durch den Schacht in den Ankerkasten leiten und testen, ob die Glieder zur Ankerwinsch passen – Millimeterarbeit!

Zum Glück: Der Test war erfolgreich.

Dann wieder raus mit der Kette, auslegen auf dem Steg, und mit Sprühfarbe markieren. Denn ohne Markierungen weiss man beim Ankern nicht, wie viel Kette bereits draussen ist – ausser man besitzt einen elektronischen Zähler. Jetzt sind wir vorbereitet – auf tiefe Wasser, starke Böen und alles dazwischen.

Unser Farbcode:

5mRot
10mRot / Gelb
20mRot / Gelb / Rot
30mRot / Gelb / Rot / Gelb
40mGelb
50mGelb / Rot
60mGelb / Rot / Gelb
70mRot

Zusätzlich bastelten wir noch einen sogenannten Ankerball. Dieser zeigt an, wo sich der Anker auf dem Meeresgrund befindet. Die daran befestigte Leine haben wir mit Schlaufen alle 100 cm markiert – so können wir die korrekte Menge an Leine herausgeben, sodass der Ankerball wirklich über dem Anker schwimmt und nicht unter Wasser gezogen wird.

Kreativzeit, Erledigungen und neue Schätze

Ein italienisches Mobilefunkabo (iliad.it) mit 200GB Daten und 13GB Roaming in Europa für 9.99€ p.m. verleiht nun dem 5G-Router leben und schont unsere eSIM's. Die Aktivierung inkl. SIM Karte und den Kosten für den ersten Monat betrugen gerade mal 25€.

Zwischen all den technischen Arbeiten kam auch ein bisschen Kreativität ins Spiel. Janine holte zum ersten Mal die Nähmaschine hervor: neue Kissenbezüge für den Salon, eine kuschelige Decke für unterwegs – und als Nächstes stehen Sitzkissen für das Cockpit auf dem Plan.

Ausserdem wurden die Vorräte aufgestockt: Wasser, Diesel und Benzin gebunkert, trockene Lebensmittel verstaut – alles fest verzurrt für die bevorstehende Reise. Schliesslich soll Scialla bei Wellengang nicht zur rollenden Vorratskammer werden.



Frische Wäsche durfte auch nicht fehlen – also nochmals zum Waschsalon. Währenddessen stöberten wir auf einem nahegelegenen Floh- und Antikmarkt. Dort fanden wir ihn: einen 10 Kilogramm schweren Ersatz- oder Zweitanker – für gerade mal 35 Euro. Unser Delta-Hauptanker ist 15kg schwer. Den brauchbaren Teil der alten Kette haben wir auf 30 Meter gekürzt – diese können wir noch für den "neuen" Anker nutzen. Der Rest der Kette fand beim Tankwart der Marina ein neues Zuhause.

Abschied vom Hafen – auf zu neuen Ufern

Am Sonntagabend trafen wir die letzten Vorbereitungen: Beim Hafenbüro abmelden, den WC-Schlüssel (gegen ein 30 €-Depot) zurückbringen, das Dinghy (wir haben sie "Mabel" getauft) ordentlich an Deck befestigen und Scialla innen wie auch aussen nochmals ordentlich reinigen.

Frischwasser aufgefüllt, Checkliste abgehakt, alles bereit. Die Wettervorhersage für die kommenden Tage ist vielversprechend – und unser Ziel steht fest: La Spezia und Porto Venere.

Am Montagmorgen heisst es dann: Leinen los – wir starten unsere Reise entlang der ligurischen Küste!

Barking Blue

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