
Zwanzig Wochen - tausend Seemeilen
Von der Strasse von Messina bis ins Herz Kalabriens
Die Strasse von Messina – Respekt vor der Herausforderung
Am Montagmorgen hiess es für uns: weiter Richtung Süden. Vor uns lag die berüchtigte Strasse von Messina – ein Nadelöhr, mit starken Winden, Strömungen von bis zu 5 Knoten, die circa alle sechs Stunden ihre Richtung wechseln, viel Berufsverkehr und riesigen Fähren. Wir waren angespannt, wussten, dass wir uns nicht zu lange Zeit lassen durften – sonst würden wir kaum noch Strecke machen.


Zum Glück hatten wir die Strömung mit uns und so erreichten den Eingang zur Strasse zur geplanten Zeit. Es war erstaunlich wenig Verkehr und wir kamen reibungslos durch – auch wenn wir zweimal Fähren ausweichen mussten. Danach konnten wir bis zur Einfahrt in das Hafenareal von Reggio Calabria segeln. Zwei Nächte buchten wir in der kleinen Queen Marina 88: nicht schön, aber funktional und für uns optimal gelegen.

Die Anmeldung war typisch süditalienisch: mehrmals anfunken, niemand reagierte, schliesslich anrufen – doch der Hafenmeister sprach kein Englisch. Zum Glück hatten wir bereits per WhatsApp unsere ungefähre Ankunftszeit angegeben und bekamen einen Platz fast am äussersten Rand. Trotz 15 Knoten Seitenwind legten wir problemlos und ohne Dinghy-Unterstützung an. Anlegehilfe ist eben in jedem Hafen etwas anderes – hier hiess es schlicht Mooringleinen übergeben und festmachen. Unsere Nachbarn: die Guarda di Financia, die Guarda Costaria & die Polizei. Wir fühlten uns auf jeden Fall sicher.


Zwischen Industrie und Alltagslogistik
Im Süden Italiens sind geschützte Buchten rar. Ankerplätze gibt es fast nur vor langen Sandstränden – und oft wird man weggeschickt oder findet keine Möglichkeit, mit dem Dinghy an Land zu kommen. Also bleiben uns meist nur Häfen. Zum Glück sind die Preise fair, und es zwingt uns ein Stück voranzukommen.
Junas Futtervorrat war bald leer. Gleich in der Nähe gab es einen Hundeladen – einer der Hauptgründe wieso wir diesen Hafen gewählt haben. Der Weg dorthin war abenteuerlich: zwischen Hafen und Stadt lagen Gleise, und statt einer Unterführung lotste uns das Navi kurzerhand über eine Autobahnausfahrt. In der Schweiz undenkbar – hier die einzige Option, dachten wir zumindest. Immerhin: Juna war wieder versorgt, wir etwas erleichtert, aber das Viertel wirkte auf uns nicht besonders sicher - also schnell wieder zurück zum Hafen.
Am nächsten Tag hiess es dann einkaufen. Diesmal fanden wir einen besseren Weg ins Stadtzentrum (in die andere Richtung). Im Coop füllten wir unsere Vorräte auf: Getränke, Snacks (Nachtfahrten machen uns immer „naschig“), ein paar Basics – und neue Kopfhörer für Janine. Ihre alten hatten den Sturz vom SUP trotz "wasserdichter" Tasche nicht überlebt.

Auch aufräumen stand auf dem Programm. Nach 3,5 Monaten an Bord merken wir immer mehr, welche Dinge wir schlicht nicht brauchen. Eine Bratpfanne und eine Holzschüssel gingen dabei als Geschenk an ein Nachbarsboot. Mehr wird im Winter folgen – entrümpeln befreit.

27 Stunden bis nach Crotone
Am Mittwoch Morgen fegten kräftige Böen über den Hafen. Erst am Nachmittag liess der Wind nach und wir legten ab. Zunächst trug uns noch eine leichte Brise, doch bald flaute sie ganz ab – der Motor musste ran. Wir fuhren bewusst langsam, um heftigen Winden aus dem Osten Zeit zu geben, sich nach Westen zu bewegen bevor wir die Südspitze Kalabriens passierten. Die Wellen waren hoch, das Boot schaukelte unangenehm, und wir mussten uns erst an den unruhigen Rhythmus gewöhnen. In der Nacht beruhigte sich das Meer langsam, und wir fanden unseren Takt: kurze Schichten, ein paar Stunden Schlaf, abwechselnd Wache halten.

Wir mögen Nachtfahrten: die kühle Luft, die Stille, wenig Verkehr; nur wir und das Meer. Am nächsten Tag jedoch schlug die Idylle um – die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel, kein Windhauch weit und breit, nur das monotone Brummen des Motors. Das zehrt an den Kräften und an der Stimmung. Doch dann kam die Rettung: gleich dreimal sichteten wir Delfine. Sie hielten etwas Abstand aufgrund des Motors, doch allein ihr Anblick hob sofort unsere Laune und gab uns die Energie, die wir gebraucht hatten.
Nach 27 Stunden Fahrt, davon 26 mit Motor, liefen wir erschöpft aber erleichtert in Crotone ein. Einfache Ankunft, wenig Wind, duschen – dann in die Stadt.


Crotone – Griechische Wurzeln und ernüchternde Realität
Die Strassen: leider auffallend schmutzig. Abends jedoch lebendig, voller Menschen und Ferienstimmung. Historisch ist Crotone bedeutend: Hier gründete der Mathematiker und Philosoph Pythagoras seine berühmte Schule. Überall begegnet uns der Name der Schutzgöttin der Seefahrer, Hera, die hier verehrt wurde. Der griechische Einfluss ist nach wie vor spürbar.

Beim Einkaufen erlebten wir eine Überraschung: ein Laden ohne Kühlregal? Nur Tiefkühlware, Gemüse, Kosmetik. Erst der Lift in den Keller offenbarte den eigentlichen Supermarkt.

Auch Diesel war wieder Thema: Jan wollte mit den Kanistern zur Tankstelle des Hafens und diese füllen lassen, wurde allerdings enttäuscht; Regel des Hafens ist, dass sie keine Kanister füllen dürfen, es sei den diese sind direkt auf dem Boot. Das hatten wir wirklich noch nie. Vermutlich wird es einen Grund dafür geben und so suchte Jan die nächste "Auto"-Tankstelle und trottete zu Fuss dorthin. Etwas ärgerlich, aber so sind die Regeln.
1‘000 Nautische Meilen – ein (See)Meilenstein
Samstagmittag legten wir ab, diesmal gegen Wind und Wellen. Später setzten wir das Gross im zweiten Reff – nicht zum Segeln, sondern um stabiler zu motoren. Nachts dann die Erlösung: endlich Ruhe, wir konnten ein Stück segeln. Und unterwegs erreichten wir ein besonderes Ziel: 1‘000 Seemeilen! Juhuu – ein Meilenstein für uns. Wieviele Meilen Scialla bereits unter dem Kiel hat würde uns interessieren, die Dame hat schliesslich Jahrgang 1976.
Am Morgen zurück in die Realität: wieder Wind auf die Nase, wieder hohe Wellen. Die Stimmung sinkt da schnell, Worte kommen schärfer heraus, als sie gemeint sind. Doch wir lernen besser damit umzugehen – und legen keinen Ballast in solche Momente.
Mit 28 Metern Kette bei vier Metern Wassertiefe und sicher eingegrabenem Anker, lagen wir in der Bucht vor Otranto. Mit dem Dinghy fuhren wir in den alten Fischerhafen der nun vor allem von Sonnenanbetern besiedelt wird – etwas kurios, zwischen Badenden einzurudern. Doch die Stadt entschädigte uns: enge Gässchen, Cafés, Restaurants, süsse Shops. Altstadt-Charme pur, blitzsauber, das genaue Gegenteil von Crotone. Abends füllt sich alles, Touristenströme drängen durch die Gassen. Zum Glück ist Juna klein und lässt sich notfalls tragen.

Otranto ist unser zweitletzter Halt in Italien. Nächste Station: Bari, wo bürokratische Hürden auf uns warten. Doch bis dahin geniessen wir unseren letzten Ankerplatz in Italien – bevor der Sprung nach Montenegro beginnt.

Vielen Dank, dass du bis hierhin gelesen hast! 🌊 Wir sind neugierig, wer eigentlich bei unserem Blog mit an Bord ist. Magst du dir kurz eine Minute Zeit nehmen und unsere kleine Umfrage ausfüllen? So bekommen wir ein Gefühl dafür, wie viele Segelfreunde uns begleiten.